Potsdamer Wochenendkurier
MAZ | SONNABEND/SONNTAG. 22./23. SEPTEMBER 2012
Von Carola Hein

Der Drachenbändiger
Michael Steltzer organisiert zum zwölften Mal das Drachenfest im Volkspark

Ob an einer oder an mehreren Leinen – am Wochenende herrscht reger Flugverkehr über Potsdam und auch Obama schwebt ein.
Obama kommt auch. Geflogen versteht sich. Diesmal aber nicht in der „Airforce One“. Michael Steltzer hat den US-Präsidenten quasi an der langen Leine – eines Drachens. „Obama 2012 steht drauf“, erzählt der Cheforganisator des Internationalen Drachenfestes im Volkspark. Steltzer ist nämlich Amerikaner und erklärter Fan des Amtsinhabers. Und so wirbt der gelernte Architekt in diesem Herbst überall für Baracks Wiederwahl in seinem mehr als 6700 Kilometer entfernten Heimatland.
Steltzer lebt in Berlin, wo er 1983 mit einem Partner den ersten Drachenladen der Hauptstadt mit dem romantischen Namen „Vom Winde verweht“ gründete. Ein Jahr später hob das Duo das Drachenfestival Berlin aus der Taufe, reiste durch die Welt, um dem Geheimnis der Himmelsgleiter auf die Spur zukommen, baute schließlich selbst welche und nahm damit an Meisterschaften teil. Und seit mehr als einem Jahrzehnt kümmert sich Steltzer um das Potsdamer Drachenfest, das heuer zum zwölften Mal stattfindet. 60 aktive Drachenpiloten geben sich ein Stelldichein. Das Starterfeld ist so international wie nie zuvor. Erstmals sind auch Gäste aus Fernost dabei – aus Indien und Indonesien (MAZ berichtete). Präsentiert wird das ganze Repertoire der Drachenkunst: synchrone Lenkdrachenflüge, stablose Einleiner-Großdrachen, filigrane Kastendrachen, spektakuläre Tricks, waghalsige Flugmanöver und Kampfdrachenduelle. Das Team Vulandra aus Bella Italia lässt Instrumente zu einem „Fliegenden Orchester“ aufsteigen, und Weltmeister René Meier ist offenbar schwer verliebt: Der Schweizer zaubert weiß-rote, dreidimensionale Herzen an den Herbsthimmel.
„Wir haben eine Höhenfreigabe von 300 Metern“, freut sich Steltzer, meistens seien nur 100 Meter erlaubt. Wie das zu kontrollieren ist? „An der Leine ist alle 100 Meter ein rot-weißes Bändchen erkennbar“, erklärt Steltzer, der mit seinem Team „Flying Colors“ choreografierte Lenkdrachenvorführungen zeigt, einen Bonbonregen für die Kleinen und einen Wettstreit im Fangen roher Eier für die Großen vorbereitet hat.
Lokalmatador Andreas Grimm baut seit 1988 Drachen jeder Couleur. Eines haben alle gemeinsam: Leicht müssen sie sein! Sein neuestes Exemplar hat die Form einer Feder. Für das Dekor ließ sich Grimm von der Kunst der Haida-Indianer in Kanada inspirieren, deren ovale Muster verewigt er auf seinen Drachen. „Mitte der 90er Jahre waren es 400, da habe ich aufgehört zu zählen“, sagt er. Grimm hat Bücher über Lenkdrachen verfasst und interessiert sich für Kampfdrachen. „Die sind schwer zu steuern. Da muss man sich total umstellen. Das ist, als würdest du als Erwachsener Einradfahren lernen“, erklärt Grimm.
Neben viel Spaß gibt es in der Branche durchaus auch ernste Aktionen wie eine fliegende Friedensdemo: Unter dem Motto „One Sky – One World“ (Ein Himmel, eine Welt) unterstützt Grimm mit einem sechseckigen Flugobjekt die Initiative seiner Kollegin Jane Parker-Ambrose aus Colorado, alljährlich im Herbst in aller der Welt bunte Drachen als Symbol multikultureller Verständigung abheben zu lassen. Auch im Volkspark heißt es dann: Give Peace a Chance!

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